Das Unwort des Jahres

Es mag zwar noch etwas früh sein, für mich steht trotzdem das Unwort des Jahres schon fest. Ein ums andere Mal sträuben sich bei mir die Nackenhaare, wenn ich es höre:

Die “neue Normalität”

Inflationär wird dieser Ausdruck derzeit genutzt, wenn es es darum geht Menschen mitzuteilen, dass der derzeitige Zustand der Katastrophe mit den belastenden und unangenehmen Beschränkungen und Regelungen noch für unbestimmte Zeit bestehen bleiben wird oder soll.
Ein wirklich reinrassiger Euphemismus ist es, wenn man den Menschen vermitteln will, dass tief in der menschlichen Entwicklungsgeschichte verankertes Verhalten, wie körperliche Nähe, die Kommunikation über die Mimik, die jetzt hinter einer Maskierung verschwinden soll, das Treffen mit anderen Menschen genauso unnormal wird wie Feste.
Vermutlich wird auch bald die bleierne depressive Stimmung, die sich gerade über das ganze Land legt, als typisch deutsche Eigenschaft hoch gelobt und verinnerlicht.
Wäre es nicht besser die Dinge Wahrheitsgemäß zu benennen?
Coronakrise?
Eine Krise, in der Menschen sterben, Millionen Existenzen zerstört werden, gesellschaftliche Strukturen vernichtet werden und die vielen starke psychische Probleme bereitet, ist das eine Krise?
Es ist eine Katastrophe – wohl eine der größten, mit der sich die Menschheit in jüngerer Geschichte konfrontiert sah.
Social distancing?
Ist das, was ich allerorts erlebe, egal ob in der Arbeit, bei zufälligen Begegnungen, oder im Bekanntenkreis, aber nicht das was eigentlich gemeint ist.
Physical distancing wäre gemeint, nicht die sozialen Kontakte sollen weniger werden, sondern der räumliche Abstand sollte steigen. Allerdings glaube ich nicht, dass das eine vom anderen zu trennen ist, hier sprechen Jahrtausende der menschlichen Entwicklung dagegen.
Sollte das wirklich die neue Normalität werden, werden wir eine andere Gesellschaft haben, jeder Einzelne ein Einzelkämpfer sein, Mitmenschen werden als Bedrohung betrachtet und die Meisten werden sich von der Gesellschaft zurückziehen.
Nein, ich weigere mich den Zustand als normal zu betrachten, ich warte und ziehe mich best möglich so lange von der Welt zurück bis sie wieder normal ist, ohne Lappen im Gesicht und ohne erzwungenem Abstand.