Mode im deutschen Alltag
Mode im Alltag: Warum man sich in Deutschland lieber tarnt als glänzt
Wenn man durch eine deutsche Fußgängerzone spaziert, könnte man meinen, dass irgendwo in der Nähe ein Waldspaziergang geplant ist. Funktional soll es sein, wetterfest, möglichst knitterfrei – und bitte nicht zu auffällig!
Männer in Outdorjacken, Frauen in Jeans und bequemen Sneakern, dazu der berühmte „praktische Rucksack“ oder die ausgebeulten Hosentaschen in dem, bei Männern keinesfalls figurbetonten Outfit. Willkommen in der modischen Komfortzone Deutschlands.
Schick? Ja, aber bitte nur mit Einladung!
Es scheint fast, als ob man in Deutschland eine Art amtlicher Genehmigung braucht, um sich richtig schön anzuziehen. Ein eleganter Rock, ein fließendes Kleid oder ein stylischer Anzug? Das geht klar – aber bitte nur zu Hochzeiten, Bewerbungsgesprächen oder der Konfirmation des Neffen. Alles andere wäre… verdächtig.
Wer sich ohne ersichtlichen Anlass zu gut oder außergewöhnlich kleidet, läuft Gefahr, schräg angeschaut zu werden. Fragen wie „Oh, hast du heute ein Date?“ oder „Musst du zu einer Feier?“ kommen fast garantiert. So entsteht eine gewisse kollektive Zurückhaltung:
Lieber nicht auffallen.
Lieber nicht zu viel wagen.
Lieber tragen, was alle tragen.
Lieber das neue Kleid doch im Schrank lassen – es könnte ja wirken, als wolle man damit etwas ausdrücken (Gott bewahre!).
Der große Süden: Mode ohne Grund – einfach, weil man kann!
Schauen wir mal gen Süden oder Westen – zum Beispiel nach Italien, Frankreich oder Spanien. Da trägt die Nonna beim Einkaufen Lippenstift und der 75-jährige Señor am Kiosk hat einen besseren Stil als mancher Berliner Hipster. Kleider, Röcke, gebügelte Hemden – einfach so, mitten am Dienstagvormittag. Kein Termin, kein Anlass, nur Lebensfreude.
In Rom, Paris oder Florenz ist Mode nicht nur Kleidung, sondern Ausdruck der Persönlichkeit. Dort scheint niemand Angst zu haben, sich schön zu zeigen. Eher im Gegenteil: Man würde sich fast entschuldigen, nicht gut auszusehen. Der Look ist Teil des Tages – wie der Espresso am Morgen oder das Händeschütteln mit Stil. Und wenn es für manche ungewohnt ist, wie der asymmetrische Rock am Typen mit Hipsterbart, gibt es dafür Komplimente an der Seine, statt Kopfschütteln in Duisburg.

Deutsche Mode-Diplomatie: Zwischen Angstschweiß und Allwetterjacke
Zurück in Deutschland trifft man oft auf eine Art modische Neutralität. Männer tragen gern Jeans nur nicht der gleichen Farbe wie ihre Jacke, eine identische Farbe viele ja auf, kombiniert mit einem Paar Sneakers, das garantiert „atmungsaktiv“ ist. Frauen? Nicht viel anders: Bequem muss es sein. Und schwarz. Oder grau. Für die Frauen noch ein paar dezente Farben mehr. Im besten Fall wird das Ganze garniert mit einem Farbtupfer in Form eines bunten Schals – das ist dann schon das modische Abenteuer des Tages.
Dabei ist der Wunsch, sich schön zu fühlen, natürlich auch in Deutschland vorhanden. Nur scheint es, als brauche es eine „Berechtigung“, um ihn auszuleben. Mode wird oft mit einem Anlass verknüpft – nicht mit dem eigenen Ich. Vielleicht liegt es an der protestantischen Arbeitsmoral, dem preußischen Pflichtgefühl oder einfach daran, dass man Angst hat, für eitel gehalten zu werden.
Und wenn Frauen schon komisch angeschaut werden, wenn sie ein hübsches Kleid einfach so tragen – wie soll es dann Männern gehen, die auch mal ein elegantes Kleid tragen möchten, die sich vielleicht mal in einen Rock werfen möchten? Keine Chance! Selbst wenn der Rock modisch, elegant oder einfach nur luftig-bequem wäre: Die Blicke wären ihm sicher. Zwischen Grillwurst, Gartenschlappen und Gartenzwerg wirkt ein Mann im Rock in Deutschland eben nicht wie ein Stilpionier, sondern wie ein Ufo. Schade eigentlich – denn warum sollten Röcke nicht auch mal Beine von Menschen mit Bart umspielen dürfen?
Fazit: Zwischen Kleiderschrank und Lebensfreude
Natürlich ist nicht jeder Deutsche ein Modemuffel – und nicht jede Italienerin ein Laufstegmodell. Aber ein bisschen mehr Lust auf Stil im Alltag würde der deutschen Modekultur sicher guttun. Ein Rock muss keinen Anlass haben. Ein Kleid darf einfach Freude machen. Und ein schönes Hemd kann auch ohne Business-Lunch getragen werden. Alles für Männer und Frauen.
Also, liebe Leute: Traut euch! Zieht das schicke Teil an – auch wenn der einzige Ort, den ihr heute betretet, der Supermarkt ist. Wer weiß, vielleicht steckt die nächste Mode-Revolution genau da – zwischen dem Joghurtregal und der Kasse.
Und, je mehr sich trauen, aus der tristen Masse herauszustechen, desto einfacher wird es für den Einzelnen und umso bunter und fröhlicher wird die Welt.